Die Hochschule Düsseldorf unterstützt ihre Forscher*innen bereits seit vielen Jahren neben einer intensiven Beratung zum Zugang zu nationalen wie internationalen Förderprogrammen darüber hinaus auch mit internen Fördermitteln – der Hochschulinternen Forschungsförderung (HiFF). Diese stellt Mittel bereit, um interne Forschungsprojekte über einen Zeitraum von bis zu anderthalb Jahren zu fördern. Für den Förderzeitraum 2024/2025 wurden sechs innovative Projekte aus verschiedenen Fachbereichen ausgewählt (siehe auch hier), die wir in unregelmäßigen Abständen vorstellen.
Prof. Dr.-Ing. André Stuhlsatz berichtet über das Projekt „Physikalische Modellierung der Verzerrungen bei der Histopathologie von Tumorerkrankungen“.
Können Sie uns kurz erklären, worum es in Ihrem Projekt genau geht?
In diesem Projekt geht es um eine neuartige Methode zur Unterstützung von Pathologen für die Histologie von Gewebe zur Erkennung von Krebs. Konkret möchten wir die Deformationen und Erosionen, die bei der Erstellung von Gewebeschnitten entstehen, von einer KI erlernen und rückgängig machen lassen. Eine nach WHO etablierte, standardisierte Färbetechnik für bestimme Gewebestrukturen (Marker) könnte dann in einen hochauflösenden, zerstörungsfrei gewonnenen 3D-Datensatz des Gewebes übertragen werden, um in der Folge eine schnellere und genauere Diagnose einer vorliegenden Krebserkrankung durch den Pathologen zu erreichen. Eine Zeitersparnis von der Probenentnahme bis zum Ergebnis von mehreren Stunden auf wenige Minuten wäre möglich.
Um eine KI die gewünschten Informationen lernen zu lassen, benötigt man Korrespondenzen zwischen dem Gewebeblock und der für eine Einfärbung davon abgeschnittenen Probe, welche eine nur ein Mikrometer dicke Scheibe ist. Grundsätzlich ist die Ableitung eines Deformationsfeldes aus einem Referenzbild im Urzustand und dem deformierten Pendant ein bekanntes und gut erforschtes Gebiet aus dem Bereich der computerbasierten Bildverarbeitung (sog. Registrierung). Da die Deformationen in den Schnitten allerdings auch von verschiedenen zufälligen Faktoren abhängen (z.B. Prozess des Schneidens und Färben, struktureller Aufbau der Probe) soll durch eine KI eine robuste und verallgemeinernde Registrierung erlernt werden. Hierfür wird bekanntermaßen eine sehr große Anzahl von Bildern von Gewebeblock-Schnitt-Paarungen notwendig, welche praktisch nicht zur Verfügung stehen.
Um trotzdem ein leistungsfähiges KI-Modell zu erlernen, ist es in diesem HiFF-Projekt das Ziel, ein physikalisches Modell des Schneidprozesses zu entwickeln. Die Modellierung und Simulation von Schnitten ist ein klassisches Thema des Maschinenbaus ebenso wie die Verformung von Materialien. Aus den Messergebnissen und FEM-Simulationen aus diesem Projekt erhoffen wir uns uns dann, in einem Folgeprojekt durch eine Kombination aus Physik und bilddatengetriebener KI eine leistungsfähige Lösung des Deformations- und Rekonstruktionsproblems für diese Anwendung entwickeln zu können.
Wie ist Ihre Herangehensweise an die verschiedenen Arbeitspakete?
Ein großes Arbeitspaket macht die experimentellen Untersuchungen aus. Hierfür haben wir eigens eine Versuchsumgebung eingerichtet, in der sich u.a. ein Mikrotom zum Schneiden der Gewebeblöcke befindet. Katarina Prgomet ist die wissenschaftliche Mitarbeiterin in diesem Projekt. Sie führt die Schnitte aus und untersucht und vermisst die Gewebeblock-Schnitt-Paarungen unter dem Mikroskop. Auf Basis ihrer Messergebnisse wird Frau Prgomet in einem weiteren Arbeitspaket mittels FEM-Simulation versuchen, die Deformationen in den Proben nachzustellen und die offenen Parameter der Modellierung an die Messergebnisse anpassen. Das Ziel in diesem Paket ist es, zu einer hinreichend guten Simulation der lokalen und globalen Deformationen abhängig von Geometrien und Materialeigenschaften zu gelangen. Zusätzlich werden verschiedene Methoden der Bewertung von Deformationen in diesem Paket validiert. Sollten diese Ergebnisse zufriedenstellend sein, werden in einem letztem Arbeitspaket Vergleiche mit anderen publizierten Ansätzen vorgenommen.
Was war der Ausschlag für gerade dieses konkrete Forschungs- / Interessensgebiet?
Der Ausschlag war eine Diskussion mit Dr. med. Maximilian Seidl (Chefpathologe der Uniklinik Düsseldorf) auf einem Workshop (MED Tech Startup Workshop). In der Diskussion haben wir erste Ideen zur Lösung des Ausgangsproblems erarbeitet.
Mit welchen Forschungspartnern arbeiten Sie in dem Projekt zusammen und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit konkret?
Wir arbeiten zusammen mit der Pathologie des Uniklinikums Düsseldorf, in Person Dr. med. Maximilian Seidl und dessen Doktorandin M.Sc. Verena Stehl. Die Zusammenarbeit gestaltet sich als sehr fruchtbar. Insbesondere profitieren beide Partner gegenseitig von den unterschiedlichen Expertisen. Das UKD unterstützt uns in den pathologischen Gesichtspunkten des Projektes und stellt uns die Gewebeproben zur Verfügung.
In welchen Bereichen hätte das Ergebnis besonderen praktischen Nutzen?
Krebsdiagnostik, Medizintechnik
Gibt es Anknüpfungspunkte an benachbarte Forschungs- oder Entwicklungsfelder?
FEM-Simulation von Deformationsfeldern beim Schneiden von zusammengesetzten Materialien (viskoelastisches Gewebe eingebettet in (thermo-)plastisches Paraffin).